Ein Pressebericht im Weser Kurier vom 18. September 2002, Redakteurin Annemarie Struß von Poellnit.
Eine Klasse für sich: Das Stadthaushotel in Hamburg
Hamburg. Die Dienstleistungsmentalität von Claudia Petersen lässt keine Wünsche offen. Kaum ist die Kaffeetasse leer, ist sie mit der Kanne zur Stelle, lächelt freundlich, sagt „bitte sehr“. Wenn man nichts mehr möchte, muss man das energisch durchsetzen. Im Stadthaushotel ist der Service sehr gut, aber ein bisschen anders.
Tragende Säule des Drei-Sterne-Hauses im Hamburger Stadtteil Altona sind acht behinderte Menschen. Sie kennen sich seit der Kinderzeit. Damit sie auch als Erwachsene zusammen leben und arbeiten können, haben ihre Eltern einen Trägerverein für ein Hotel gegründet, das im nächsten Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert.
„So was gibt in Europa nicht ein zweites Mal“, sagt Axel Graßmann, der aus der Jugendhilfe kommt und eine Art Hotelmanager ist. Graßmann legt Wert darauf, dass das Stadthaushotel nicht vom Mitleidsbonus lebt, sondern sich dem Markt und seinen Qualitätskriterien stellt. Drei Sterne, das heißt: Alle Zimmer mit WCs und Dusche, Telefon, TV, auf Wunsch auch mit Internetanschluss, picobello sauber und gepflegt. Im Stadthaushotel heißt das selbstverständlich auch: mit viel Platz und behindertengerechten Lichtschaltern und Bad-Armaturen. Als besonderer Bonus kommt dazu noch eine für diese Preisklasse auffallend geschmackvolle Einrichtung und der besondere Geist des Hauses, der mit Wärme und Toleranz nur grob umschrieben werden kann.
Damit das alles klappt, jeden Tag wieder und egal ob vier Gäste eingescheckt haben oder 40, stehen der Stamm-Mannschaft einige Hotelprofis zur Seite. Da ist die gelernt Hotelfachfrau Eva-Maria Siegels, die schon bei Steigenberger gearbeitet hat. Sie ist für die Rezeption und den Betriebsablauf zuständig. Der Koch im angeschlossenen Restaurant-Cafè Max B. hat im Sterne-Restaurant Le Canard gelernt und behält auch in Stoßzeiten den Überblick.
Das Max B an der Ecke Max Brauer Allee ist der neue Ableger des Unternehmens Stadthaushotel, dessen Trägerschaft mittlerweile vom Hamburger Sozialverein jugend hilft jugend Hamburg übernommen wurde. Die Gebäude sind über einen begrünten Innenhof verbunden, in dem man im Sommer essen kann. Das Max B ist ein schicker Laden mit roten Art-Deco-Lederbänken und anspruchsvoller Speisekarte. Es gibt einen täglichen Mittagstisch und Angebote für Familienfeiern.
Im Cafè arbeiten vor allem ehemalige Drogenabhängige, die von jugend hilft jugend Hamburg im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme betreut werden. Behinderte und Ex Junkies kämen gut miteinander aus, versichert Graßmann. Die Skepsis der Eltern habe sich gelegt. Das Stadthaushotel ist Mitglied im Hotel- und Gaststättenverband und dort auch wohl gelitten.
„Wir arbeiten professionell, sind aber als Spartenhotel dennoch nur begrenzt eine Konkurrenz“, sagt Graßmann. „Spartenhotel“ bedeutet in diesem Fall, dass durchschnittlich 20 Prozent der Hotelgäste aus Behinderten bestehen. Dazu kommen Familien und Bekannte.
Graßmann sagt gern, das Stadthaushotel sei das einzig „normale“ Hotel in der Stadt. „Hier können sich alle so benehmen, dass sie sich wohlfühlen.“ Eltern mit behinderteren Kindern müssten zum Beispiel keine Angst haben, dass jemand sich aufregt, weil ihr Kind beim Essen Geräusche macht oder nicht so geschickt mit Messer und Gabel umgehen kann. Das Hotel ist im Durchschnitt zu 70 Prozent belegt. Die Lage ist attraktiv, wegen der Nähe zu Musicalhäusern und zur Amüsiermeile Reeperbahn.
Ein Einzelzimmer kostet 72 Euro, ein Doppelzimmer 97 Euro und ein Familienzimmer 118 Euro, jeweils mit Frühstück und Stellplatz. Auch die Betreuungskosten fließen in das Betriebsergebnis ein. Dennoch war das erste Halbjahr 2002 wie überall schwierig. Noch ist das Haus nicht aus den roten Zahlen heraus. Gewünschte Aus- und Umbauten verzögern sich.
Die Verbesserung der finanziellen Basis ist nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch Teil des pädagogischen Anspruchs, erklärt Kai Wiese, Vorsitzender des Trägervereins jugend hilft jugend Hamburh: „Eine Komplett-Alimentierung hat immer etwas Entwürdigend.“ Das Wissen, dass ihre Arbeitskraft gebraucht wird, tue gut.
Wiese kann mit ansteckendem Engagement über die Zukunft von „Integrationsfirmen“ reden. Gerne würde er da auch Peter Hartz noch ein paar Takte erzählen. „15 bis 20 Prozent der Hauptschüler können nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln werden. Schon deshalb ist Integrationsarbeit auf wirtschaftlicher Basis eine große Zukunftsaufgabe“, glaubt Wiese. „Wir brauchen ein Management, das Arbeit für diese Menschen organisiert, nicht Beschäftigung. Subventionieren sollte man nur den Teil, der anders nicht zu finanzieren ist.“